Was verstehst Du unter Nachhaltigkeit im Kontext der Tourismusindustrie?
Wie jede Branche leistet auch der Tourismus seinen Beitrag zum Klimawandel. Etwa 5,3 % des weltweiten CO2 Ausstoßes werden durch den Tourismus verursacht, dreiviertel davon kommen aus dem Transport Sektor1. Des Weiteren wird immens viel Müll durch den Tourismus produziert. Es wird auch viel Energie benötigt, um touristische Anlagen zu betreiben.
Es geht also ist nicht nur die Umweltverschmutzung, die durch den Tourismus entsteht, sondern um den Energieverbrauch, der in Zeiten verstärkter Ressourcenknappheit und Krieg ebenso zum Problem wird. Nicht nur das Reisen selbst ist eine Baustelle, auch in der Verwaltung von Reiseunternehmen bietet sich Optimierungspotenzial. Bei MIDOCO haben wir uns innerhalb einer Taskforce dazu viel Gedanken gemacht und sehen die Bereiche Abfall, Energie, Mobilität, Gesundheit und soziale Verantwortung. Ich denke, dass, diese fünf Bereiche auf die Reiseindustrie insgesamt angewendet werden können. Wir müssen darauf achten, wie viel Abfall im Rahmen unserer Dienstleistungen entstehen, bspw. die Essenabfälle, Papier, Plastik. Auch in den Verwaltungen muss darauf geachtet werden, wie gewirtschaftet wird. Damit ist gemeint, wie und wann entsorgen wir elektronische Arbeitsmittel, Essenverpackungen, Marketingmaterial, etc.. Ebenso verhält es sich bei der Energie. Wie lässt sich der Stromverbrauch durch intelligente Beleuchtung senken? Genauso wie der Stromverbrauch durch den Betrieb von Servern.
Es geht bei der Mobilität darum, wie wir unsere Kunden von A nach B bringen, aber genauso darum, wie wir das selbst als Dienstleister in der Tourismusindustrie handhaben. Wir sind genauso Nutzer der Leistungen, die wir verkaufen. Wie Reisen wir? Mit der Bahn, mit dem Flieger? Kompensieren wir das, was nicht anders geht, um nur ein paar Punkte zu nennen?
Das Thema Gesundheit gehört unserer Meinung auch dazu, denn nur wenn es uns gut geht, können wir auch richtig und klug handeln. Da geht es neben dem körperlichen Wohlbefinden auch um gute Führung und Gleichgewicht in innerhalb der eigenen Organisation - mentale Gesundheit also. Eine Rolle spielt auch, welchen Grundsätzen andere Unternehmen folgen. Denn unsere Industrie ist ein Netzwerk und wenn nicht alle am gleichen Strang ziehen, wird es schwierig. Eine Zusammenarbeit mit Unternehmen, die bspw. sich mit niedrigen Standards begnügen, birgt Gefahren.
Die Herausforderung hier ist natürlich, dass am Ende nachhaltiges Handeln auch wirtschaftlich sein muss, um die Arbeitsplätze zu sichern. Um die Frage zu beantworten, was Nachhaltigkeit im Kontext der Reiseindustrie bedeutet, würde ich sagen, dass wir müssen unser gesamtes Handeln mit Blick auf mindestens Abfall, Energie, Mobilität, Gesundheit und Soziale Verantwortung auf den Prüfstand stellen und uns verbessern müssen, und das nicht nur als einzelne Teilnehmer, sondern als Gemeinschaft innerhalb der Industrie, damit systematische Veränderung eine Chance bekommt.
Wer trägt die Verantwortung dafür, dass Reisen klimafreundlicher wird?
Wir alle! Die Politik, der Handel, Fluggesellschaften, Hotel, Reiseveranstalter und -vermittler, IT und letztlich auch die Kunden. Wenn das Thema Klimawandel für den Kunden keine Priorität hat, dann fehlt auch ein entscheidender Einflussfaktor. Der Verbraucher kann entscheiden, was er/sie kauft und wie gereist wird? Leider ist es so, dass nachhaltiges Reisen etwas kostet, sei es Zeit oder Geld. Ich muss als Reisekunde in den Diensten des Klimas meine persönlichen Interessen zurückstellen. Die Politik spielt in diesem Zusammenhang eine gleichermaßen wichtige Rolle. Im Grunde ist es wie mit der Rente. Man muss den Menschen zu einem gewissen Maße dazu zwingen, sonst wird er/sie nicht vorsorgen und das wird dann für die gesamte Gesellschaft ein Problem. Das lässt sich analog auf den Klimawandel übertragen, nur ist die Tragweite noch größer. Es geht um nichts Geringeres als alles und das global über alle Bereiche hinweg. Wir brauchen Regeln, die ein klimafreundlicheres Handeln fördern.
Alle involvierten Unternehmen aus Handel und Reise können auch gegenseitig Druck ausüben, um klimafreundliches Handeln zu erzwingen, sei es, dass ein Hotel nur noch Energiesparbirnen einsetzt oder plastikfreie Putzmittel und Seife verwendet. Wenn ein Partner diese Anforderungen nicht bedienen kann, dann wird er unter Umständen das Nachsehen haben.
Genauso kann ein Reiseveranstalter darauf achten, dass eine Airline eine ressourceneffizientere Flotte hat und bspw. kein Plastik Einmalbesteck mehr an Bord verwendet. Diese Liste lässt sich beliebig weiterführen. Es ist genauso eine Verantwortung, nachhaltiges Handeln einzufordern, wie es eine ist, diese anzubieten. Es gibt sehr gute Ansätze zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Touristik, seien es Arbeitsgruppen in Verbänden wie dem DRV oder VIR, Initiativen wie Futouris oder die erst kürzlich gegründete KlimaLink, die einen Datenstandard für die Berechnung von CO2 Emissionen für die Touristik erarbeiten soll. Oder Unternehmen wie Atmosfair, myClimate, planetly und viele andere, die Reiseunternehmen dabei unterstützen, ihre Geschäftstätigkeit klimafreundlicher zu gestalten oder vielmehr die Opportunitätskosten des jährlich angerichteten Schadens überhaupt greifbar zu machen und mit einem Preisschild zu versehen.
Abschließend lässt sich die Frage so beantworten. Wir tragen als Industry und als Kunden die Verantwortung. Allerdings bedarf es Menschen und Unternehmen, die Führungsrollen übernehmen und es sich zur Aufgabe machen, den Klimaschutz voranzutreiben und die Anderen auf die Reise mitzunehmen.
Was sind Deiner Meinung nach die Themen, die im Vordergrund stehen?
Zum einen die Organisation von Arbeitsgruppen, die Konzepte und Strategien erarbeiten und dies auch in die politische Ebene tragen. Zum anderen das alle beteiligten Anstöße bekommen, nachhaltiger und klimafreundlicher zu werden. Es geht nicht darum, jetzt auf einmal klimaneutral oder plastikfrei zu werden, sondern Verbesserungspotenzial zu erkennen und dieses im Einklang mit dem eigenen Geschäft zu nutzen. Da gibt es schon unzählige Beispiele. Es geht also auch immer mehr um Kommunikation. Das Thema muss mehr in die Köpfe der Menschen und ein stetiger Begleiter werden.
Welche Lösungsansätze siehst Du?
Es ist ein Mix aus:
Alles ist schon in Bewegung, aber wir sind noch am Anfang, da vieles noch nicht im systematisch etabliert ist. Die Menschen müssen verstehen, dass Klimafreundlichkeit kein Geschäftskiller ist, sondern eine Chance, nachhaltig im Geschäft zu bleiben.
Ein letzter Punkt ist natürlich die Forschung. Wir Menschen werden immer Reisen wollen und das werden wir auch weiter tun. Es gilt also alternative Antriebssysteme und Material zu entwickeln, die energetisch und ressourcenmäßig neutral sind oder Chancen haben, diese zu werden. Hier sind Politik und die Unternehmen gleichermaßen gefragt. Aber wenn wir ehrlich sind, hat es 100 Jahre bis zu E-Auto gebraucht. Wir können nur gemeinsam daran arbeiten, dass die Entwicklungen so schnell voranschreiten wie die Speicherkapazitäten aller unserer Devices, auf denen wir Daten speichern.
Was macht MIDOCO, um nachhaltiger zu wirtschaften und die Industrie in Ihren Ambitionen klimafreundlicher zu werden zu unterstützen?
Wir haben bei MIDOCO eine Taskforce gebildet, die sich regelmäßig trifft und die Arbeitsbereiche definiert hat, in denen wir tätig werden können. Wir haben uns nicht zum Ziel gesetzt, unmittelbar klimaneutral und abfallfrei zu werden, aber wir haben Bereiche identifiziert, in denen wir aktiv werden können. Wir haben uns auf den Weg begeben! Dazu gehört bspw., dass
Zu den nächsten Zielen gehört, dass wir einen Status Quo ermitteln und eine Reporting etablieren um unseren Fortschritt zu messen.
Zudem sind wir in Arbeitsgruppen und Initiativen der Industrie vertreten, um gemeinsam an den Themen mit unseren Partnern in der Reiseindustrie an Lösungen zu arbeiten. Dazu zählt z. B., dass wir als Gründungsmitglied bei KlimaLink vertreten sind, uns schon lange Jahre auch in den Diskussionen zur Nachhaltigkeit im VIR einbringen.
1 https://www.unwto.org/sustainable-development/tourism-emissions-climate-change