Selbstfahrende Autos und Tesla stürzen die etablierten Automobilkonzerne in existenzielle Sinnkrisen. Uber braucht nur wenige Monate, um eine 115 Jahre alte Branche völlig auf den Kopf zu stellen. Veränderungen ganzer Branchen passieren heutzutage ganz schnell und radikal.
Martin Bachmann ist ein „alter Hase“ im Travel Trade. Er besass einige Reisebüros, verkaufte diese erfolgreich und gründete mit diesen Erfahrungen ein erfolgreiches Travel Tech Unternehmen. Als CEO der Umbrella AG hat er aber auch den Finger ganz nah am Puls der Zeit. Er geht davon aus, dass es bald einige Versuche geben wird, den traditionellen Travel Trade mit einem "disruptiven" Modell auszuhebeln.
Martin liegt sehr viel am Wohlergehen einer Branche, die sein gesamtes bisheriges Berufsleben sein Zuhause war. Im folgenden Interview teilt er seine Gedanken darüber, wie sich die Reisebüro-Branche für die wilde Reise in die Zukunft rüsten muss:
Martin, kürzlich hat der Inhaber eines mittelständischen Reisebüros zu dir gemeint, dass Travel Tech Unternehmen wie Umbrella verantwortlich sind für das Überleben der Branche. Siehst du das auch so?
Gerade kleine und mittlere TMCs haben die Fähigkeiten, nahe am Kunden zu sein. Das ist unglaublich wertvoll. Aber sie haben keine eigene Technologie. Diese zu bauen ist eine spannende Aufgabe für Umbrella.
Wir bieten also die notwendigen Werkzeuge fürs Überleben an. Ein Reisebüro muss sich aber auch helfen lassen. Einige Marktteilnehmer tun sich leider sehr schwer damit, ihre eingefahrenen Wege zu verlassen und in die Zukunft zu investieren.
Warum ist der Wandel für manche Reisebüros so schwierig?
Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier. Es ist sicherlich keine einfache Übung, eingefahrene Routinen und Organisationen über den Haufen zu werfen.
Manche Entscheider haben Angst vor dem Risiko, etwas Neues zu probieren. Und riskieren genau damit, dass ihr Unternehmen bald vor existenziellen Problemen steht.
Wir freuen uns aber, dass es auch viele pfiffige Reisebüro-Chefs gibt, mit denen wir spannende neue Ideen ausprobieren und umsetzen können. Natürlich reden wir auch sehr gerne mit Travel Managern von Unternehmen, die die traditionellen Prozesse hinterfragen.
Was kann man von Online TMCs wie Egencia oder eWings lernen?
Was mir bei solchen Angeboten fehlt, ist ein attraktiver Service für komplexe Aufträge. In der IT machen sie aber sicher vieles richtig und decken das Geschäft mit den einfachen Buchungen gut ab.
Müssen sich Reisebüros wirklich komplett neu erfinden?
Es braucht eben keine „Disruption“ aus dem Silicon Valley, auch wenn es da Versuche geben wird. Wir werden auch mit einer Evolution unseren Wert beweisen und müssen nicht alles komplett neu erfinden. Aber wir müssen zumindest alles hinterfragen und viele Gewohnheiten im Reisebüro ersatzlos streichen.
Die Stärken der Reisebüros sind nun mal die guten Kontakte zu den Kunden und das persönliche Service. Diese Trümpfe muss man ausspielen. Ein auf Effizienz getrimmtes Fliessband-Modell ohne persönlichen „Touch“ ist unter Garantie der falsche Weg. Das können Roboter besser und billiger.
Was sind konkrete Beispiele für Services, die hinterfragt werden müssen?
„Open Booking“, also die Integration von Buchungen aus allen möglichen Kanälen, ist ein absolutes „Must Have“. Natürlich müssen Reisebüros auch Direktbuchungen umbuchen können.
Ein weiteres Thema sind die Kundendaten. Ich kann doch nur gutes Service liefern, wenn ich meine Kunden gut kenne. Wir bieten dafür ja mit Umbrella Faces ein wunderbares Tool an. Man kann es halt auch noch deutlich vielfältiger nutzen als es die TMCs derzeit tun.
Auch das traditionelle, starre Preismodell der TMCs ist nicht mehr zeitgemäss. Oft verhindert aber grade eine alte, klobige IT, dass Reisebüros überhaupt an Alternativen denken. Warum aber sollte ein Kunde bereit sein, für die ganze Maschinerie zu bezahlen, wenn er nur einen Bruchteil davon benötigt?
Ein Thema, bei dem wir uns immer wieder am Kopf kratzen, sind Reports. 90% aller Auswertungen vom Reisebüro sind vollkommen wertfrei. Die werden direkt für den Papierkorb produziert. Sie sind nichtssagend und – siehe „Open Booking“ – decken ohnehin nur einen Bruchteil der Buchungen ab. Jedem Insider ist klar, dass mindestens 30% der Buchungen auch jetzt schon ausserhalb des Reisebüro-Kanals passieren.
Sehr ausbaufähig ist auch der Umgang mit moderner Kommunikation. Ein Reisebüro muss heute doch Interaktion via Chats, Skype oder auch Whatsapp anbieten. Aber kaum jemand macht es – weil es halt auch erfordert, dass man die Organisation anpasst.
All das sind aber auch Themen, für die wir Lösungen parat oder in Planung haben.
Martin, herzlichen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auch schon auf den zweiten Teil des Interviews, bei dem du über deine Ideen und Visionen für Umbrella erzählst.